Wie weiter in der Frage: Aufhebung der Freiheitsbeschränkungen von Geimpften?

Als vollständig geimpft gilt, wer vor 14 Tagen die zweite Impfung (Ausnahme J&J) bekommen hat und keine typischen Symptome einer Coronainfektion aufweist. Das Risiko einer Virusübertragung ist durch eine vollständige Impfung stark vermindert.

ABER: Es besteht die Möglichkeit, dass einige Menschen trotz Impfung (asymptomatisch) PCR-positiv werden und dabei auch infektiöse Viren ausscheiden. Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) auch nach Impfung die allgemein empfohlenen Schutzmaßnahmen (Alltagsmasken, Hygieneregeln, Abstandhalten, Lüften) weiterhin einzuhalten.

Hauptziel der Schutz vor Infektionen und die Verhinderung eines Kollapses des Gesundheitssystems durch die Verhinderung der Übertragung des Virus. Ist dieses Ziel erreicht, sollten die Beschränkungen für alle zurückgenommen werden – und zwar unabhängig vom Impfstatus. Eine Aufhebung von individuellen Freiheitsbeschränkungen sollte erst mit Ende der 3. Welle erfolgen.

Bedingungen zur Aufhebung von Freiheitsbeschränkungen

Grundsätzlich gilt: Grundrechte gelten als gegeben. Freiheit stellt den Normalfall dar, Beschränkungen hingegen sind die Ausnahme, die besonders gerechtfertigt werden müssen. Wir sprechen also nicht von Lockerungen, sondern von Rücknahmen der Einschränkungen.

Jede individuelle Freiheitseinschränkung bedarf einer individuellen Rechtfertigung. Harte individuelle Freiheitsbeschränkungen, wie eine Quarantäne, sind rechtlich sehr schwierig durchzusetzen, wenn die Infektiosität wegfällt. Momentan besteht das Problem, das nicht jeder ein Impfangebot bekommen kann.

Die Priorisierung bei der Impfung erfolgte zum bestmöglichen Schutz von Leib und Leben der Geimpften und nicht in erster Linie zur Rücknahme von Grundrechtseinschränkungen. Sollte der Gesetz- oder Verordnungsgeber nunmehr an eine Impfung genau diese Folge knüpfen, entstünde eine durch die Priorisierung bedingte Doppelprivilegierung, die verfassungsrechtlich nur schwer zu rechtfertigen ist. Wir betrachten es daher als umso wichtiger an, dass alles dafür getan werden muss, damit ALLEN ein Impfangebot unterbreitet werden kann.

Für unter 16-Jährige gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff. Biontec/Pfizer hat einen Antrag auf die Erweiterung der bestehenden Notfallzulassung für den Impfstoff wurde bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA eingereicht. Laut Unternehmen hat eine klinische Studie in der Altersgruppe von 12 bis 15 Jahren habe eine Wirksamkeit von 100 Prozent gezeigt. Aus unserer Sicht muss alles dafür getan werden, damit die Forschung und die daraus resultierende Zulassung von Impfstoffen für Kinder schnellstmöglich (in Europa bzw. Deutschland) erfolgen kann, denn auch Kinder haben ein Recht auf Infektionsschutz. Zumal zahlreiche Studien belegen, dass die Corona-Mutante B.1.1.7 ansteckender und gefährlicher ist und vor allem Kinder und Jugendliche befällt. Um eine mögliche 4. Welle abzuwenden, in der sich das Infektionsgeschehen nahezu ausschließlich in den nicht geimpften Altersgruppen vollzieht, muss abgewendet werden. Eine Impfung der Kinder erst im kommenden Jahr 2022 ist für uns indiskutabel.

Solang eine Impfung von Kindern nicht möglich ist, halten wir eine Gleichstellung von Getesteten und Geimpften für unabdingbar. Unterschiedlichen Freiheitsgrade innerhalb von Familien dürfen nicht erzeugt werden. Aus ethischer Sicht ist eine Gleichstellung von Getesteten und Geimpften unproblematisch, da man beiden Gruppen einen Zugang gewährleistet. Damit ist eine Ermöglichung von Rücknahmen der Einschränkungen (bspw. eines Restaurantbesuchs) für Geimpfte und Getestete umsetzbar.

Der Wegfall der Test- und Quarantänepflicht nur für Geimpfte sehen wir als vertretbar an. Nach dem Infektionsschutzrecht müssen nur Menschen in Quarantäne , wenn sie ein besonderes Risiko darstellen. Durch die zusätzliche Aufrechterhaltung der allgemeinen Schutzmaßnahmen wird das Restrisiko gemindert und eine Testung damit überflüssig

Privaten Unternehmen – wie etwa Fluggesellschaften oder Konzertveranstaltern – kann derzeit nicht verboten werden, einen Impfnachweis oder einen Coronatest zu verlangen. Eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen ist aber nicht zu rechtfertigen, wenn der Zugang zu Angeboten privater Anbieter für eine prinzipiell gleichberechtigte, basale gesellschaftliche Teilhabe unerlässlich ist; etwa die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs.

Nicht geimpften Bewohneri:nnen in Pflege-, Senioren-, Behinderten- und Hospizeinrichtungen müssen über die weiter geltenden allgemeinen Infektionsschutzmaßnahmen hinaus mithilfe anderer Maßnahmen (FFP2-Masken, Schutzkleidung für Pflegekräfte etc.) besonders geschützt werden. Eine pauschale Aufrechterhaltung der besonders belastenden umfänglichen Kontaktrestriktionen zum Schutz derjenigen Personen, die nicht geimpft werden können, sehen wir als nicht mehr angemessen an. Die noch immer bestehenden gravierenden Isolationsmaßnahmen in Pflege-, Senioren-, Behinderten- und Hospizeinrichtungen sollten für geimpfte Personen mit dem Fortschreiten des Impfprogramms schnellstmöglich aufgehoben werden.

Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns dafür ein, dass

  1. der Nachweis eines aktuellen Negativtests (digital oder qualifizierte schriftliche Bestätigung)
  2. der Nachweis aktueller Immunität durch überstandene Covid-19-Infektion und
  3. Impfungen gleichgestellt werden.

Wir wollen soweit es geht keine rechtliche Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften. Wir wollen gesellschaftliche Solidarität und Freiheiten so schnell und umfassend wie möglich, und zwar für alle.

Gleichzeitig gebietet es die Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseinschränkungen, dass diese zurückgenommen werden, wenn sie nicht mehr notwendig sind. Damit ist eine entsprechende Einschränkung der Grundrechte für geimpfter Personen absehbar nicht mehr zu rechtfertigen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Priorisierung aufgehoben ist und es mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Impfkapazitäten eine hinreichende Möglichkeit gibt, sich impfen zu lassen

Grundsätzlich gilt: Alle Maßnahmen und deren Rücknahme für Geimpfte müssen einzeln betrachtet und mit Augenmaß bewertet werden. Wie stark ist die Maßnahme für alle einschränkend? Ist eine Gleichstellung zwischen Geimpften und Getesteten rein praktisch umsetzbar?