Landarztquote – Wichtiger Schritt, doch für verlässliche medizinische Versorgung braucht es weitere Anreize für junge Ärzt:innen

Mein Redebeitrag zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion SPD zum Thema: „Medizinische Versorgung in ganz Sachsen sicherstellen: Die sächsische Landarztquote startet“
47. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 24.03.2022, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben im vergangenen Jahr das Sächsische Landarztgesetz beschlossen. Und damit einen weiteren Baustein für die Gesundheitsversorgung in unseren ländlichen Regionen gelegt. Die Bewerbungsphase für die ersten 40 Studienplätze für die sächsische Landarztquote beginnt am 1. April.

Aus meinen persönlichen Erfahrungen kann ich Ihnen erzählen, dass wir mit dieser Möglichkeit, außerhalb des Numerus clausus Medizin zu studieren, sicherlich motivierte junge Menschen für das Medizinstudium und damit für den Beruf als „Landarzt“ oder „Landärztin“ gewinnen können.

Ein junger Mann in meinem Bekanntenkreis hat sein Abitur vor zwei Jahren mit 2,0 bestanden. Ich finde, das ist eine tolle Leistung. Für ihn war es schon von Kindesbeinen an klar, dass er Arzt werden möchte. So hat er auch während der Schulzeit ein Praktikum im Krankenhaus gemacht. Aber mit diesem Durchschnitt von 2,0 hatte er in Sachen Medizinstudium leider keine Chance. Also hat er erstmal ein freiwilliges soziales Jahr in einem Krankenhaus absolviert und mittlerweile eine generalistische Ausbildung zum Pflegefachmann begonnen. Wobei sein Ziel nach wie vor das Medizinstudium ist. Er ist im Erzgebirge aufgewachsen, hat seine Familie, seine Freunde dort. Für ihn gibt es aktuell keinen Grund wegzuziehen.

Solchen jungen Menschen ermöglichen wir jetzt ein Medizinstudium. Die Student*innen verpflichten sich, für mindestens zehn Jahre als Arzt oder Ärztin in einer sächsischen Region mit Ärztemangel zu arbeiten.

Viele junge Mediziner*innen wünschen sich, Familien- und Berufsleben gut in Einklang zu bringen. Dazu braucht es aber andere Arbeitszeitmodelle als wir sie aus der klassischen Arztpraxis mit langen Öffnungszeiten, Hausbesuchen und gegebenenfalls auch noch Notarztdienst kennen.

Hinzu kommt, dass nicht jede Ärztin und jeder Arzt auch Unternehmer*in sein und eine Praxis führen will. Einige wollen auch als Angestellte tätig sein, zum Beispiel in Medizinischen Versorgungszentren. Diesen Trend bestätigte uns auch die Sächsische Landesärztekammer in einer Pressemitteilung in dieser Woche. In den vergangenen zehn Jahren ist die Anzahl der angestellten Ärzt*innen im ambulanten Bereich um das zweieinhalbfache gestiegen.

Der Wunsch nach Anstellung statt Selbständigkeit kommt nicht nur aus familiären und privaten Bedürfnissen, sondern auch aus dem beruflichen Wunsch, statt allein lieber im Team zu arbeiten. So möchte nicht jede junge Ärztin oder jeder junge Arzt eine Einzelpraxis übernehmen. Zum einen birgt dies ein ziemlich großes finanzielles Risiko und zum anderen schätzen junge Menschen auch die Möglichkeiten von Interdisziplinären Teams. Hierfür bieten sich die Medizinischen Versorgungszentren oder auch regionale Gesundheitszentren an.

Gerade in Gesundheitszentren, in denen Menschen ambulant und auch stationär behandelt werden, kann eine Teilzeitbeschäftigung und eine Arbeit im Team mit fachlichem Austausch gut funktionieren. Hierfür schaffen wir die Rahmenbedingungen im Sächsischen Krankenhausgesetz.

Um die medizinische Versorgung in ganz Sachsen sicherzustellen, brauchen wir Anreize, die die ländlichen Regionen für Zuziehende attraktiver machen als die Ballungsräume.

Der Wettbewerb um die Sachsenkinder und ihre beruflichen Wirkungsorte ist voll entbrannt, die Regionen buhlen mit Anreizen wie Kita, Schule und Kultur. Die demografischen Fakten liegen aber auf dem Tisch: Es sind zu wenige junge Sächsinnen und Sachsen, als dass wir alle Bedarfe von Verwaltung, Wirtschaft bis zur Sozialwirtschaft davon gedeckt bekommen.

Wir haben mit der Landarztquote nur einen mittelfristigen Lösungsweg, da Studium und Facharztausbildung mindestens elf Jahre dauern.

Um die ärztliche Versorgung sicherzustellen, werden wir Ärzt*innen aus dem Ausland brauchen und auch hier wird die Attraktivität, die Weltoffenheit und Herzlichkeit ausschlaggebend sein, wo ausländische Fachärzt*innen arbeiten und wohnen möchten.

Derzeit arbeiten knapp 3.000 ausländische Ärztinnen und Ärzte in Sachsen und sichern damit die Versorgung von uns allen. In den vergangenen acht Jahren ist dabei die Anzahl der syrischen Ärzt*innen von 52 auf 334 gestiegen.

Wenn Sachsen sich auch in zehn Jahren noch selbst versorgen will, müssen wir uns wirklich fit machen für Erwerbseinwanderung und der attraktive Ort sein, wo die People of Color-Ärztin gemeinsam mit den sächsischen Hausarzt im Erzgebirge praktizieren will.

Jungen Sächs*innen ein Studium zum Landarzt oder zur Landärztin zu ermöglichen, wird nicht alle unsere Probleme lösen. Aber das ist nur ein Baustein auf dem Weg zu einer verlässlichen Versorgung auf dem Land.

Weitere Förderbausteine wie Famulaturförderung, Förderungen für das Praktische Jahr, Stipendien, Coaching- oder Mentoringprogramme stehen angehehende Ärzt*innen und damit auch den Landärzt*innen zur Verfügung und werden auf der Website „Ärzte für Sachsen“ gebündelt. Auch die Übernahme einer Arztpraxis in einer unterversorgten Region wird von der Kassenärztlichen Vereinigung mit Förderpauschalen erleichtert.

Ich drücke allen Bewerber:innen für das Förderprogramm die Daumen und wünsche mir für die Sächsinnen und Sachsen in den ländlichen Regionen, dass sie mit ihrem Studium dann auch wirklich an die Orte gehen, wo sie dringend gebraucht werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!