Jugendpauschale – Zielrichtung richtig, unser Weg sieht aber anders aus

Meine Rede zum Antrag der Fraktion DIE LINKE „Novellierung und Weiterentwicklung der Förderrichtlinie „Jugendpauschale“ endlich umsetzen!“ (Drucksache 7/3470)

25. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 24.03.2020, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Kinder und Jugendliche sind einzigartig. Sie sind wild oder auch ganz leise. Sie wollen sich nicht anpassen. Sie haben Forderungen und sie probieren alles möglich aus. Wir lieben sie, aber sie sind schon auch eine Herausforderung.

Deshalb haben wir seit 1990 ein wunderbares Gesetz, welches jetzt gerade einer Generalinventur unterzogen wird: das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Darin ist festgeschrieben, dass diese wunderbar „anspruchsvollen Kinder und Jugendlichen“ ganz besondere Rechte haben. Dazu gehört der Zugang zu Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit. Es ist also kein kommunales Wunschkonzert Jugendzentren, Bauspielplatze oder Mädchentreffs zur Verfügung zu stellen, sondern eine, wenn auch unbestimmte, aber dennoch verpflichtende Leistung.

Und dies kostet Geld – und zwar eine Menge. Für das Jahr 2018 haben die Landkreise und kreisfreien Städte zusammen für die Fördergegenstände der Richtlinie Jugendpauschale 12,1 Mio. € ausgegeben. Der Freistaat Sachsen unterstützt diese Leistungen, die kommunal erbracht werden, durch die Jugendpauschale. Doch einige Kommunen finanzieren weitaus mehr und andere sind sehr sparsam.

Diese Architektur ist gut, weil damit in jeder Gebietskörperschaft ein Mindestangebot für die Bereiche:

  • Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit,
  • Jugendsozialarbeit,
  • erzieherischer Kinder- und Jugendschutz,
  • Jugendgerichtshilfe,
  • Familienbildung und familienunterstützende Beratung sichergestellt wird.

Von dieser Förderung sind entgeltfinanzierte Leistungen (nach § 78a SGB VIII) sowie Investitionen ausgenommen. Das heißt die kommunale Selbstverwaltung wird hier auch nicht angegriffen.

Die Förderung funktioniert nach dem 1:1 Prinzip: Gibt der Landkreis einen Taler, legt der Freistaat noch einen drauf. Oder, um bei den aktuellen Zahlen zu bleiben, wenn der Landkreis 12,40€ je jungen Menschen unter 27 Jahren bereitstellt, wird diese Summe vom Land verdoppelt. Weiterhin eröffnet sich damit der Landkreis oder die kreisfreie Stadt das Tor zur Förderung der Schulsozialarbeit.

Dass dieser Mechanismus sinnvoll und notwendig ist, zeigt sich eigentlich mit jedem Haushalt der in den Gebietskörperschaften aufgestellt wird. Immer dann, wenn die Kassen sich leeren, geht der Blick der Kämmerer zur sogenannten „freiwilligen Jugendhilfe“ und es wird die Frage gestellt, braucht das einer oder kann es weg? Dort wo die Jugendhilfeausschüsse nicht stark und juristisch gut ausgestattet sind, wird allen Leistungsträgern dann bange. Die Jugendpauschale garantiert hier zumindest eine Mindestausstattung.

Jetzt zu den Forderungen der Linken:

  1. Ja, es braucht eine Bedarfsermittlung, um zu wissen was und wo vor Ort gebraucht wird. Das können aber wir nicht als Land bestimmen. Bei der Definition von Bedarfen, inkl. des Personal müssen wir auf die kommunale Selbstverwaltung bauen und damit die Planungen der örtlichen Jugendhilfeausschüsse als Grundlage akzeptieren. Ich kann der Idee von verpflichtenden landesweiten Fachstandards und Qualitätsrahmen etwas abgewinnen, sehe aber im gleichen Bild Oberbürgermeister und Landräte, die sich hier jede Einmischung verbitten und dies auch rechtlich begründen können.
  2. Ja, die Kosten steigen dynamisch, weil tarifgebundene Bezahlung und Betriebskosten auch im Bereich der Jugendhilfe anfallen. Auch hier kann ich der Analyse nur zustimmen. Aber wir machen uns für einen anderen Lösungsansatz stark und zwar der einer deutlichen Erhöhung der Pauschale im jetzigen Doppelhaushalt.
  3. Ja, es braucht klare fachliche Kriterien und die Definition von Mindestangeboten vor Ort, um die oben beschriebene Wohnort- und Lebensweltnähe für die furchtbar liebenswerten jungen Menschen auch real zu gewährleisten. Ich kann dem Ziel hier ebenfalls zustimmen. Aber dies lässt sich ebenfalls nicht verordnen. Wie weit dieser Weg ist, zeigen die aktuellen Entwicklungen, wo einzelne Landkreise noch nicht einmal die andiskutierte Erhöhung der Pauschale mit Tragen wollen, weil sie sich der höheren Finanzierung nicht gewachsen sehen.
  4. Ja, es braucht einen Ausgleich für die Landkreise, die jährlich weniger junge Menschen haben. Aber den gibt es auch jetzt schon. Die Weiterentwicklung der Jugendpauschale kann nur gelingen, wenn dort, wo es real mehr junge Menschen gibt, neue finanzielle Spielräume ermöglicht werden und in Regionen, wo die Anzahl der unter 27-Jährigen schrumpft, die finanzielle Sicherung garantiert ist.

Der Antrag der LINKEN ist gut, richtig und macht die Fehlstelle im System deutlich. Die aufgeführten Punkte sind in ihrer Zielrichtung zu unterstützen und zu motivieren, den oft steinigen Weg in der Erarbeitung mit den Gebietskörperschaften weiter zu gehen. Der vorgeschlagene Weg über den Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung ist für uns aber nicht der Richtige. Es wird darum gehen, dass dieser Doppelhaushalt es möglich macht, die Jugendpauschale zu erhöhen und die Förderlogik aber nicht über Anweisung, sondern über Aushandlung zu ermöglichen. Ein Schritt in diese Richtung wäre die Rücküberführung der Richtlinie an die zuständige Behörde und eine dementsprechende Änderung des HBG, um die ich hier noch einmal werben möchte.

Wir werden dem Antrag nicht zustimmen, auch wenn wir uns im Ziel einig sind. Im Ergebnis ist dieser Antrag für uns sehr begründet, zeigt Handlungsbedarfe auf und motiviert uns, den Weg weiter zu gehen, auch wenn wir einer anderen Markierung zum Ziel folgen.