Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Es ist unsere politische Verantwortung, jetzt Vorsorge zu treffen

Mein Redebeitrag zum Antrag der Fraktion AfD: „Impffreiheit für alle! Höchste Priorität für die Gesundheit!“ (Drs 7/9688)
48. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Montag, 25.04.2022, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren,

unter der Drucksache 20/699 ist 15. Februar dieses Jahres der Antrag der AfD „Verschärfung des Fachkräftemangels im Gesundheitssektor verhindern – Einrichtungsbezogene Impflicht abschaffen“ in der Bundestagsverwaltung eingegangen und wird am Mittwoch im entsprechenden Ausschuss des Bundestages angehört.

Dort gehört er hin, dort wird er behandelt und am Ende auch entschieden!

Die Inszenierung heute ist überflüssig und dient ausschließlich dem Anheizen vor den Landratswahlen. Nachdem den montäglichen Widerstandsdemos zum Thema Corona langsam die Forderungen ausgehen, der Benzinpreis und die Liebe zu Russland nicht so wirklich verfangen, muss man das Pferd Coronamaßnahmen eben noch einmal reiten, auch wenn es defacto gerade lahm im Stall steht.

Die AfD verhält sich wie ein bockiges, trotziges Kind. Sie wollen ihren Willen um jeden Preis durchsetzen, auch wenn es hier nichts durchzusetzen gibt.

Sie beantragen für heute eine Sondersitzung des Landtags zum Thema Impfen. Und das, obwohl das Thema der einrichtungsbezogenen Coronaschutz-Impfpflicht weder neu ist noch in unmittelbarer Zuständigkeit des Landtags liegt.

Dementsprechend gering ist der „Neuigkeitswert“ Ihres Antrags. Neben einem seitenlangen Feststellungsteil – also viel Prosa – bleiben lediglich zwei Forderungen übrig.

  1. Die alte Forderung der AfD, sich „auf Bundesebene für die Aufhebung der einrichtungsbezogenen COVID-Impfpflicht nach § 20a IfSG einzusetzen“ kann gar keine unmittelbare Wirkung entfalten, denn die Abgeordneten im Bundestag entscheiden über das Bundesinfektionsschutzgesetz – nicht der Landtag und auch nicht die sächsische Staatsregierung.
  2. Die Aufforderung an die Staatsregierung, „die Möglichkeiten gegenüber den kommunalen Gesundheitsämtern zu nutzen, keine Betretungsverbote auszusprechen“ ist hinfällig. Gesundheitsministerin Petra Köpping hat seit Beginn des Jahres immer wieder betont, dass vorhandene Ermessensspielräume in Rücksprache mit den Gesundheitsämtern durchaus genutzt werden, wenn die Gesundheitsversorgung ernsthaft in Gefahr ist. Dies muss dann mit Blick auf das Wohl der Patient*innen und Pflegebedürftigen abgewogen werden.

Wir Abgeordneten haben uns mit den unzähligen AfD-Initiativen in den vergangenen Wochen im Plenum, im Sozialausschuss und in Anhörungen inhaltlich auseinandergesetzt, argumentiert, diskutiert und demokratisch darüber abgestimmt. Und es gibt gute Gründe, warum die AfD-Anträge in diesem Haus nicht einmal ansatzweise eine Mehrheit bekommen. Sie behaupten immer wieder Unwahres, so auch in diesem Antrag.

Ein Beispiel dazu: Sie behaupten, die „Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung im Freistaat Sachsen“ sei durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht „gefährdet“. Das stimmt so nicht. Die Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegebereichs haben bislang weniger Ungeimpfte an die Gesundheitsämter in Sachsen gemeldet als erwartet. Die Impfpflicht hat viele Mediziner*innen und Pflegekräfte dazu gebracht, sich impfen zu lassen. Die Impfquote im stationären Bereich ist seit Januar laut einem LVZ-Bericht vom 4. April 2022 von 65,7 Prozent auf 75,1 Prozent gestiegen. Und die angedrohte Kündigungswelle der Pflegekräfte bleibt bislang auch aus.

Bei den Sächsinnen und Sachsen, die sich tatsächlich arbeitslos gemeldet haben, ist nur ein leichter Zugang zu sehen, von 262.613 Mitarbeitenden im Bereich haben sich im März 2022 770 arbeitslos gemeldet. Damit ist kein dramatischer Anstieg im Vergleich zum März 2021 mit 733 zu verzeichnen.

Jeder Mitarbeitende, der den Bereich verlässt, fehlt. Aber fakt ist, dass die Gründe für eine „arbeitslos-Meldung“ nicht vordringlich auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht zurückzuführen sind.

Mitarbeiter*innen im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen geben ihren Job auf, da sie die Belastungen psychisch und physisch nicht mehr leisten können oder weil sie Familie und Beruf nicht mehr miteinander vereinbaren können. Es gibt nicht die eine Ursache namens Impfpflicht, auch wenn die AfD dies gern so zur Schau stellen möchte.

Es bestehen seit Jahren Probleme in der sächsischen Gesundheitsversorgung, die nicht klein zu reden sind und politisch angegangen werden müssen. Die letzte Legislatur hat dies in der Enquete Pflege ausführlich erörtert.

Doch der aktuelle Stressfaktor rund um die Corona-Impfungen ist ein hausgemachtes sächsisches Problem, das auch der Anti-Corona-Politik der AfD in den vergangenen Jahren geschuldet ist.

Sie verunsichern die Bevölkerung, verharmlosen das Corona-Virus und üben an nahezu allen Schutzmaßnahmen eine pseudowissenschaftliche Kritik. Das alles führt dazu, dass Sachsen immer noch als Schlusslicht da steht bei der Impfquote!

Auch im medizinischen Sektor sind uns andere Bundesländer weit voraus bei der Impfquote.

Sachsen ist eines der ältesten Bundesländer und ich mache mir nach wie vor Sorgen um die vielen ungeimpften Seniorinnen und Senioren hier. Denn das Risiko einer schweren Erkrankung steigt mit dem Alter. Wir sollten deshalb weiterhin alles dafür tun, den Impfschutz auszubauen. Es enttäuscht mich, dass die Unionsparteien im Bundestag nicht einmal die Beratungspflicht und dann gegebenenfalls die Impfpflicht ab 60 Jahren mittragen konnten. Das wäre ein Kompromiss gewesen. Doch nun stehen wir ohne irgendetwas da. Ich beziehe mich hier gern auf meine geschätzte Kollegin Paula Piechotta im Bund. Wir sind mit zwei Wahrheiten konfrontiert, die eine ist:

Wir wissen nicht, was Corona uns für Mutationen und Verläufe bringen wird.

Die zweite ist, wir können es nicht verantworten, einen dritten Herbst und Winter mit Lockdown, zusätzlichen Toten und einer Überlastung der Systeme hinzunehmen, weil wir nicht alles uns mögliche getan haben.

Wir wissen nicht, was der Herbst bringt, aber es bleibt die politische Verantwortung, jetzt Vorsorge zu treffen.

Die AfD verhöhnt mit ihrer Politik auch die an Corona Verstorbenen in Sachsen. Wir haben hier seit 2019 höhere Sterbezahlen als in den Jahren zuvor. Dieser traurige Trend setzt sich fort. Laut einer aktuellen Studie des Ifo-Instituts in Dresden gibt es einen Zusammenhang zwischen Übersterblichkeit und geringer Impfquote.

In Sachsen gab es im 2. Halbjahr 2020 „rund 13 Prozent mehr Todesfälle als aufgrund der Altersstruktur zu erwarten gewesen wäre“. Das belegen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu den Sterbefällen in Deutschland.

Das RKI meldet zum 24. April 2022 insgesamt 15.159 an oder mit Corona verstorbene Sächsinnen und Sachsen.

Angesichts dieser Zahlen empfinde ich den Titel des AfD-Antrags „Impffreiheit für alle! Höchste Priorität für die Gesundheit!“ einfach nur zynisch. Das zeigt, das Freiheitsverständnis der AfD bleibt egoistisch und ist am gesunden, jungen und mindestens immunstarken Menschen orientiert.

Wir werden diesen Antrag ablehnen.

Lassen Sie mich bitte zum Abschluss den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fachbereiche danken, die bereits seit Beginn der Legislatur durch die Pandemie stark gefordert sind und auch jetzt wieder in den Osterferien am Thema saßen, um auch dieses Plenum vorzubereiten. Nach zweieinhalb Jahren mit einer unsäglichen rechten Seite der Opposition ist das Thema Gesundheits- und Sozialpolitik fachlich an einem Punkt angekommen, wo es meine höchste Wertschätzung genießt, dass die Kolleginnen und Kollegen immer noch fachlich und sachlich am Thema arbeiten.

DANKE!